Deutscher Jugendliteraturpreis 2011 in der Kategorie Sachbuch
für Anke Kuhl und Alexandra Maxeiner!
Jurybegründung
Die Familie ist die erste und wichtigste gesellschaftliche Institution, die Kinder kennenlernen. Doch diese Lebensgemeinschaft hat viele Gesichter. Zum einen gibt es natürlich noch die ganz „normale“ Familie mit Vater, Mutter und Kind. Neben dieser immer noch häufigsten Familienform aber gibt es eine Fülle von anderen Konstellationen und familialen Netzen, in denen Alter, Geschlecht und Verwandtschaftsgrade kunterbunt durcheinandergehen können. In diesem Sachbilderbuch über Familien in Gegenwart und Vergangenheit, in Deutschland und anderswo, regiert ein Humor, der das emotionsbesetzte Thema auf die richtige Weise angeht. Der Blick reicht von Alleinerziehenden bis zur Großfamilie, von Patchwork-Familien zu den Vor- und Nachteilen des Einzelkind- und Geschwisterdaseins, von Vater-Vater-Kind- und Mutter-Mutter-Kind-Familien bis zu binationalen Familien, Witwern, Waisen, Heim- und Adoptivkindern und sogar kinderlosen Familien – alles kommt in diesem Panorama zur Sprache und ins Bild. Mit leichterer Hand als vom Team Maxeiner und Kuhl hat man selbst so kontroverse gesellschaftliche Themen wie Leihmutterschaft oder Regenbogenfamilien zuvor noch nicht inszeniert gesehen. Und dass es nicht immer harmonisch oder kinderfreundlich zugeht, verschweigt das Sachbilderbuch nicht: Familien entzweien sich über Erbstreitigkeiten, manche Eltern schlagen ihre Kinder, bei einem Familienstreit werden auch schon mal sehr bittere Dinge gesagt und nicht in jeder Familie folgt diesen eine Versöhnung.
Der Text überzeugt mit seinen kurzen, prägnanten und konzise formulierten Sätzen, allesamt prall mit Informationen gefüllt, und das alles ist durchzogen von einer großen Leichtigkeit und einem sensiblen Humor. Kurze Erläuterungen vielleicht unbekannter Begriffe fügen sich so geschmeidig in den Text ein, dass sie keineswegs belehrend wirken. Überhaupt: Belehren oder gar Werten ist der Texterin und Illustratorin fremd. Vielmehr steht die beschreibende soziologisch und ethnologisch beschlagene Sachinformation im Vordergrund.
Anke Kuhls Zeichenkunst, besonders ihr kecker Strich, überzeugen. Es ist immer wieder erstaunlich, zu sehen, wie sie mit wenigen Mitteln Emotionen in die Gesichter und die Körpersprache der Figuren zaubert, wie sie ohne plump-stereotyp zu werden das Charakteristische einer Persönlichkeit oder sozialen Gruppe herauszufiltern vermag. Lebendigkeit und Dynamik der Illustration lassen die in Panels angeordneten Bilder fast wie ein Kino wirken. Ebenso zum Thema wie zum Stil der Zeichnungen passen das Lettering in Handschrift und die vielen Sprechblasen: Man blättert durch das Buch wie durch ein Familien-Foto-Album.
Die bei allem Karikaturistischem doch ernsthafte Auseinandersetzung vermittelt dem lesenden Kind: Jede Familie ist einzigartig – ob dezent oder geräuschvoll, faul oder umtriebig, steif oder leger. Und: Jede Familie hat ihren charakteristischen Geruch! Und weil jede, aber auch jede Familie wichtig ist, birgt das Buch auch einige Seiten, die das lesende oder zuhörende Kind mit den Besonderheiten seiner Familien füllen kann.
Informationsgehalt, Gebrauchswert für Vermittler, ästhetischer Genuss, Aufklärung und Sinnlichkeit ergeben ein Sachbuch, das in keiner Familie fehlen sollte – egal, wie sie sich zusammensetzt.
Anke Kuhl (Illustration), Alexandra Maxeiner (Text) Alles Familie!
Vom Kind der neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und anderen Verwandten
Klett Kinderbuch Verlag, ISBN: 978-3-941411-29-6, € 13,90 (D)
Kreisch! Glückwunsch!
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